, Benjamin N.

Der Ötzi 2023

Am Wochenende stand mein Saisonhighlight an: Meine erste Teilnahme am Ötztaler Radmarathon. 227km und 5700hm auf einer Runde über vier Alpenpässe (Kühtai/Brenner/Jaufen/Timmelsjoch).
Da wir die Teilnahme mit einer Woche Familienurlaub in Sölden verbunden haben, konnte ich schon jede Menge Rennstimmung aufsaugen (die ganzen letzte Tage dreht sich hier im Dorf alles um das Rennen) und es bildete sich eine schwierige Mischung aus Vorfreude und Respekt vor der Nummer. 


Das Ziel war gesetzt Ankunft in 8:40h bis 8:50h um so in die Top 10% der Starter zu kommen (d.h. ~Platz 400-420). Leider war für den Renntag eine besondere Hitzewelle angesagt mit Temperaturen deutlich über 30 Grad. Es sollte also eine Hitzeschlacht werden die im Nachhinein gesehen sehr vielen Teilnehmern ernste Probleme bereitet hat.


So ging es zusammen mit Peter Mohr pünktlich um 5:50 in die Startaufstellung. Wobei pünktlich hier relativ zu sehen ist, da wir trotzdem seeehr weit hinten starten mussten.
Prinzipiell war ich aber sehr froh darum mit Peter jemanden an der Seite zu haben der schon mehrfach am Ötzi teilgenommen hat und mir so wertvolle Tipps geben konnte.
Und dann ging es auch schon los. Vom Start weg direkt die 30km lange Abfahrt durchs Ötztal. Hier wollte ich unbedingt auf Nummer sicher gehen um bloß nicht in Stürze verwickelt zu werden. 
Doch was soll ich sagen: jede Sorge umsonst. Wer gewohnt ist GCC und andere Jedermannrennen zu fahren stellt fest dass es im Umgang miteinander hier sehr entspannt zugeht. Topp! Einmal kam es zwar zum kompletten Stopp aufgrund eines Sturzes kurz vor uns, dieser sah allerdings so aus als wäre er sehr glimpflich ausgegangen.
So ging es also frohen Mutes in das erste Hindernis des Tages: das Kühtai mit 1200hm auf 18km. Hier lief es wirklich gut und ich konnte meine angestrebte Pace ziemlich gut halten bzw. war sogar noch etwas schneller. Ich konnte sehr viele Plätze gut machen und nach frenetischem Empfang zahlreicher Zuschauer am Gipfel ging es in die rasende Abfahrt nach Innsbruck. Auch hier konnte ich einige Fahrer einholen (und das obwohl ich mich für einen sehr vorsichtigen Abfahrer halte) und kam so mit einer großen Gruppe im Tal an. Leider hatte ich eine Gruppe erwischt die sich anscheinen vorgenommen hatte möglichst langsam durchs Tal zu fahren, was dazu führte dass ich komplett Solo durch Innsbruck gefahren bin. 
Prinzipiell natürlich ein super Gefühl wenn man alle Zuschauer „für sich“ hat. Allerdings natürlich auch deutlich mehr Kraftaufwand als in der Gruppe und die Körner hätte ich lieber sparen wollen. 
Auch das erste Drittel des Brenners (777hm auf 37,5km) musste ich alleine angehen, bis ich von einer funktionierenden Gruppe eingeholt wurde und es den Rest schön gleichmäßig nach oben ging. Auch hier konnte ich somit meine geplante Zeit leicht unterbieten.
Und wieder in eine (diesmal nicht ganz so steile Abfahrt) nach Sterzing. 
Vor dem nächsten Pass gibt es hier seit dem letzten Jahr eine neue Streckenführung, die eine Rampe mit deutlich zweistelligen Steigungswerten beinhaltet. Hier musste ich deutlich tiefer gehen als ich wollte um nicht rückwärts zu Rollen. 
Zurück ins Tal und ab Richtung Jaufenpass 1130HM auf 15,5km.
Das Thermometer zeigte mittlerweile 34 Grad und im Anstieg gibt es kaum Schatten. 
Generell hat es im Jaufen kaum steile Passagen und eigentlich ließ er sich recht flüssig fahren. Aufgrund der Hitze und teils wirklich schlechtem Asphalt kam der Anstieg mir unglaublich zäh vor und ich habe mich wirklich schwer getan meine Pace zu fahren. Nach schnellem Füllen der Speicher an der Labe kurz vorm Gipfel bin ich effektiv ziemlich genau mit der geplanten Pace oben angekommen, das fiel mir aber schwerer als gedacht.
Nun in die wirklich schöne,lange Abfahrt runter nach St. Leonhard.  Langgezogene Kurven wechseln sich mit Serpentinen und engeren Kurvenkombinationen ab. Ich hatte wirklich Spaß 😉
Und dann ging es an den Scharfrichter des Tages. Das letzte Große Hindernis: Hoch aufs Timmelshoch mit 1724HM auf 29km.
Trotz mittlerweile 37 Grad konnte ich im Einstieg des Berges gut Druck machen. Die ersten 8km lief es wirklich gut, doch dann merkte ich erste Krämpfe im Bein. 
Leider ein leidiges Thema dass ich es vor allem bei heißeren Temperaturen nicht schaffe genügend Flüssigkeit und Nahrung für lange Strecken in mich rein zu stopfen (noch dazu war das Iso der Laben sehr dünn gemischt). Mein Magen will da einfach nicht so viel Verarbeiten wie der Körper benötigt. Eine Weile konnte ich mich dadurch retten die Leistung zu reduzieren, doch bereits vor der ersten Labe im Anstieg musste ich mehrfach kurz halten. An der Labe dann mit Magnesium und Salz vollgeschüttet, aber das half nur kurz und ich hatte noch 13km bergauf vor mir und so richtig steil wird es erst am Ende des Anstieges. Somit hieß es immer wieder kurz halten, Krampf rausdrücken und weiter. Ich wurde richtig frustriert da ich meine gute Zeit schwinden sah, obwohl es bis dorthin so gut gelaufen ist. 
Zum Glück setzte dieser Frust nochmal ein paar Kräfte frei, aber ich hoffe nicht zu viele haben meine permanenten Flüche hören müssen 😂
Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit war es dann so weit. Der Tunnel am Gipfel kam in Sicht. Nochmal alle Kräfte sammeln hoch da, durch da, das kleine Flachstück dahinter abspulen und die letzten paar Meter zur Passhöhe. Geschafft! Und zu meiner Verwunderung war ich letztlich nur 3 Minuten langsamer als ich eingeplant hatte. Zielerreichung also noch drin und voller Euphorie in die Abfahrt. „Jetzt nur noch runter Rolle“.
Aber nach kurzer Zeit die Ernüchterung. Da war ja noch was. Der Anstieg in Windeck….
Nochmal 2km bergauf. 
Also gut, weeeit runterschalten und im Wohlfühltempo da hoch. Einfach die Sache mit Anstand und ohne nochmal halten hinter mich bringen.
Zum Glück hat das geklappt und nun wirklich nur noch ab nach Sölden. 

Mit Freudentränen im Gesicht konnte ich dann mit 2 anderen Fahrern die Abfahrt angehen und nach kurzer Zeit waren wir auch schon am Ortseingang von Sölden.
Hier ging es dann noch durch die Dorfstraße die von Zuschauern gesäumt war und nach der letzten Kurve unter großem Jubel durchs Ziel. 
Es war vollbracht und ziemlich KO aber sehr zufrieden fiel ich meiner Frau in die Arme. 
Kurz darauf der Blick in die Ergebnis Liste und die Laune wurde noch besser: Mit offizieller Zeit von 8:36h und Platz 370 habe ich mein Ziel erreicht! 

Ein super organisiertes Event bei dem auch das komplette Drumherum stimmt. 

Jetzt heißt es die positive Energie mitnehmen und regenerieren für das Rennen in Schleiz am nächsten Wochenende.